Wohneigentum – das sind die zehn häufigsten Irrtümer
Die rechtlichen Grundlagen zum Stockwerkeigentum sind im Schweizerischen Zivilgesetzbuch in den Artikeln 712 ff. festgehalten. «Es lohnt sich, diese und das Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft gut zu studieren», sagt Thomas Treichler, Abteilungsleiter Rechtsdienst der Alfred Müller AG. Er liefert die korrekten Antworten auf die zehn häufigsten Irrtümer im Zusammenhang mit den eigenen vier Wänden.
1. Ich habe mir eine Wohnung im Stockwerkeigentum gekauft. In meinen eigenen vier Wänden kann ich tun und lassen, was ich will!
Sie als Miteigentümer der Liegenschaft besitzen ein sogenanntes Sonderrecht an der Wohnung. Bei der Gestaltung der Innenräume haben Sie freie Hand, solange kein Eingriff in die Substanz, die -Statik oder das äussere Erscheinungsbild des Hauses erfolgt.
2. Ich wohne im Parterre, brauche keinen Lift, also muss ich mich auch nicht an den Wartungskosten beteiligen!
Die Verwaltungskosten für gemeinsame Anlagen sorgen im Stockwerkeigentum oft für Dissonanzen. Die Alfred Müller AG legt als Grundlage für die Aufteilung der gemeinschaftlichen Kosten im Reglement eine Nebenkostenquote fest, die unter Umständen von der Wertquote leicht abweichen kann. Da gemeinschaftliche Einrichtungen wie Lift, Spiel oder Veloeinstellplätze von den Stockwerkeigentümern je nach subjektivem Bedürfnis unterschiedlich genutzt werden, sind einer individuellen Ausgestaltung des Kostenverteilers auch mit Blick auf die Praktikabilität Grenzen gesetzt. Ein gewisser Schematismus lässt sich dabei nicht vermeiden. Deshalb muss sich in aller Regel auch die Parterrewohnung an den Kosten für den Lift und das kinderlose Ehepaar an den Kosten des Kinder-spielplatzes beteiligen.
3. Auf dem Gartensitzplatz meiner Eigentums-wohnung pflanze ich einen Apfelbaum. Weil im Herbst all meine Nachbarn eine Obstschale von mir erhalten, wird niemand etwas dagegen haben!
An Gartensitzplätzen wie auch an Balkonen besitzen Sie als Eigentümer lediglich ein Sondernutzungsrecht. Alles, was das Erscheinungsbild der Liegenschaft verändert oder andere Eigentümer beeinträchtigt, ist grundsätzlich nicht erlaubt, beziehungsweise eine Änderung bedarf der Zustimmung der Gemeinschaft.
4. Als Eigentümer bezahle ich den Lohn der Verwaltung. Also bin ich der Chef und sage, wo’s langgeht!
Sie sind Teil einer Gemeinschaft und die Gemeinschaft ist die «Chefin». Auftraggeber der Verwaltung ist einzig und allein die Stockwerkeigentümergemeinschaft. Die Verwaltung vertritt nicht die Interessen einzelner Stockwerkeigentümer, sondern immer nur diejenigen der Gemeinschaft.
5. Der Dauermieter meiner Eigentumswohnung zieht aus. Toll, jetzt vermiete ich diese regelmässig über Airbnb und verdiene damit gutes Geld!
Während es bei einer Dauervermietung ausreicht, die Verwaltung über den Vorgang in Kenntnis zu setzen, verhält es sich bei einer gewerblichen Nutzung wie Airbnb anders. Eine solche Nutzung bedarf der Zustimmung der Stockwerkeigentümergemeinschaft und sollte im Reglement festgehalten sein. Für eine solche Änderung des Nutzungszwecks ist allerdings die Zustimmung aller Stockwerkeigentümer nötig.
6. Im Erneuerungsfonds ist zu wenig Geld, um die notwendigen Reparaturarbeiten am Dach in Auftrag geben zu können. Jetzt muss jeder Einzelne nachbezahlen – mir aber fehlt das Geld. Kein Problem: Die Gemeinschaft kommt für meinen Beitrag auf!
Das kann sie, muss sie aber nicht. Können Sie die notwendigen finanziellen Mittel nicht auftreiben, droht Ihnen im schlimmsten Fall die Pfändung Ihrer Wohnung respektive der Verkauf. Sie können also nicht auf die Solidarität Ihrer Nachbarn zählen.
7. Der Boden unserer neubezogenen Eigentumswohnung hat Dellen, die nicht von uns stammen. Das läuft unter Garantie, deshalb werde ich beim entsprechenden Handwerker vorstellig.
Es gibt viele Generalunternehmen, die ihre Mängelrechte gegenüber den einzelnen Lieferanten beim Verkauf der Stockwerkeinheiten an die Käufer abtreten. Das ist für die Käufer äusserst mühsam, da sie sich selbst um die Mängelerledigung kümmern müssen. Wir finden eine solche Abtretung von Garantieansprüchen unfair, weshalb unsere Kaufverträge keine solche Regelung enthalten. Wir leisten 2 Jahre Garantie auf offene und 5 Jahre auf verdeckte Mängel. Während der Garantie- und Verjährungsfristen haftet die Alfred Müller AG gegenüber ihren Käufern für Mängel. In dieser Zeit können Käufer Mängel direkt der Alfred Müller AG melden.
8. Meine Stimme hat immer gleich viel Gewicht, egal, ob wir über eine Dachsanierung oder den Einbau eines Jacuzzis entscheiden!
Notwendige bauliche Massnahmen, die der Erhaltung des Wertes und der Gebrauchsfähigkeit des Gebäudes dienen – also etwa eine Dachsanierung – können mit Zustimmung der Mehrheit der anwesenden und vertretenen Stockwerkeigentümer, also mit einfachem Mehr, beschlossen werden. Bei nützlichen baulichen Massnahmen, die eine Wertsteigerung oder Verbesserung der Wirtschaftlichkeit des Gebäudes zur Folge haben – zum Beispiel dem Einbau einer energiesparenden Heizung – braucht es ein qualifiziertes Mehr; das bedeutet die Mehrheit aller Stockwerkeigentümer, die zugleich zu mehr als der Hälfte anteilsberechtigt sind (Mehrheit der Wertquoten). Luxuriöse Vorhaben, wie der erwähnte Einbau eines Jacuzzis, die lediglich der Verschönerung der Liegenschaft oder der Bequemlichkeit -dienen, bedürfen eines einstimmigen Beschlusses; alle Stockwerkeigentümer müssen ihre Zustimmung erteilen.
9. Ich kann nicht an der Stockwerkeigentümerversammlung teilnehmen. Ich reiche meine Meinung zu den einzelnen Traktanden schriftlich ein. Das zählt auch!
Nein, tut es nicht. Aber Sie können sich an der Versammlung vertreten lassen. In unseren Reglementen ist vorgesehen, dass man sich durch ein Mitglied seiner Hausgemeinschaft, einen anderen Stockwerkeigentümer, einen direkten Nachkommen oder durch die Verwaltung vertreten lassen kann. Der Vertreter muss der Versammlung eine von Ihnen unterschriebene schriftliche Vollmacht vorweisen können.
10. Ich verkaufe mein Stockwerkeigentum und ziehe in eine andere Stadt. Die von mir getätigten Einlagen im Erneuerungsfonds stehen mir jetzt rechtlich zu.
Falsch. Denn bei einem Verkauf geht der Anteil am Erneuerungsfonds auf den Erwerber über und wird bei einem Wegzug nicht ausbezahlt.