«Zeig mir deinen Rasen und ich sage dir, wer du bist»

Was der Rasen über den Charakter eines Gärtners aussagt und wo Humor der beste Dünger ist.

Kaum strecken die ersten Krokusse ihre Hälse neugierig der Frühlingssonne entgegen, gibt es für die Schweizer Gartenfreunde kein Halten mehr: Es geht raus ins Grüne. Auf einmal ist die Frühjahrsmüdigkeit vorbei, die Gartenlust erwacht, die Internetforen zum Thema glühen und die Ratgebermagazine haben Hochkonjunktur. Alle wollen es richtig machen und gut informiert sein, damit die ganze schweisstreibende Arbeit auch bald Früchte trägt.

Dabei unterscheidet sich die Herangehensweise und Machart in so vielem. Es gibt Gärten und Gärten. Bei den Dreharbeiten zur neuen Staffel von «Hinter den Hecken» habe ich einen Einblick in die Schweizer Gärten erhalten und kann nun – augenzwinkernd natürlich – einen groben Rückschluss von Gärten auf ihre Besitzer machen.

Ja, jeder Gartenfreund hat sein ganz eigenes Idealbild, wie seine grüne Oase auszusehen hat, ob so ein Garten denn überhaupt drinliegt oder man doch lieber einen Kiesboden anlegt. Genau hier wird es spannend: Wer hegt welchen Garten, und was sagt dieser über den Typ Mensch aus? Ich behaupte, Gärten spiegeln das Seelenleben seiner Nutzer zu einem grossen Teil wider. Und wissen Sie, woran man den Charakter einer Gärtnerin oder eines Gärtners am besten erkennt? Am Rasen.

Der Variantenreichtum bei Rasen ist gross, trotzdem kristallisieren sich vor allem vier Typen heraus. Beginnen wir mit dem ordnungsliebenden, kontrollierenden Plantyp. Er überlässt nichts dem Zufall und legt grossen Wert auf eine trittfeste, saftig grüne und kurz geschorene Grünfläche. Mehr als 4 Zentimeter Länge gilt als Versagensindiz. Der Rasen und die Beete sind akkurat aufeinander abgestimmt. Unkraut und Maulwürfe sind die grössten Feinde und werden mit allen Mitteln bekämpft. Jedes Kleeblatt, welches sich waghalsig zwischen den selbst gelegten Betonplatten hindurchdrückt, wird mit Dampfdruck gnadenlos herausgeschleudert. Nach dem Motto: Nur gezähmte Natur ist gute Natur!

 

Bei Naturliebhabern und Familien mit Kindern läuft es anders ab. Hier gilt der Rasen als Spielfläche, er wächst vor sich hin und bietet viel Raum für Wiesenblumen oder nach Belieben auch für «Häsli» und Meerschweinchen. Ein richtiges Naturschauspiel. Er wird zwar mit dem Benzinmäher liebevoll gemäht, aber es muss zackig gehen – die Kinder rufen ja bereits wieder. Die Rasenlänge beträgt sicher mehr als 4 Zentimeter. Wie viel genau, ist egal, es hat niemand Zeit nachzumessen.

Dann gibt es noch die Gartenzwergtypen. Das sind die «wirklichen» Gartenfreunde, sehr zugängliche, ruhige Zeitgenossen: Sie sprechen mit Blumen, Gräsern und Unkraut gleichermassen und richten überall Insektenhotels ein. Sie pfeifen beim Giessen und singen beim Mähen. Ihre Gärten sind kleine Oasen. Es gibt keine Ecke, die nicht mit Preziosen aus dem Baumarkt vollgestopft ist, mit Vorliebe sind es Gartenzwerge in allen Farben («Die sind doch so härzig»). Und daneben bekunden lustige Schilder: «Heute ist leider nicht gemäht, die Gartenzwerge haben ihren freien Tag.» Für diesen Typen ist die Gartenarbeit eine Religion, jeder Wurm ein «Heldentier». Hier gibt es Biotope, die mehr Lebewesen beherbergen als der Zoo Zürich. Man sitzt gerne spontan dazu und bekommt ein Glas frischen Biosaft serviert.

Und dann gibt es noch die, die eigentlich nichts mit dem Garten anfangen können, aber «es gehört halt zum Prestige von Herrn und Frau Schweizer»: Die Mährobotertypen, wie ich sie nenne. Sie haben die sauberen Gartenhandschuhe immer griffbereit und sind stolz auf ihr kleines, viereckiges Stück Rasen, umgeben von diesen furchtbar langweiligen Wasch­betonplatten. Sie wissen, welche. «Das ist ganz praktisch, so bleibt der Rasenmäher-Roboter nirgends hängen», und so lässt man den Mähroboter täglich von 10 bis 10.30 Uhr auf das messerschneidescharfe Mittelgrünstück ausschwärmen.

Nicht zu vergessen die Nichtgärtner, die den Rasen und den Rest des Grüns stets aus sicherer Entfernung betrachten, am liebsten hinter dem Fenster. Diese Sorte Mensch ist nicht selten. Sie kann einfach nicht viel anfangen mit Erde, Kompost und all den Dingen, die es nun mal für einen richtigen Garten braucht. Sie steht aber auch dazu. Ihre Zeit setzt sie lieber anders ein. Das höchste der Gefühle ist eventuell ein klitzekleines Hochbeet in der Balkonecke. Da gibt es schon fixfertig bepflanzte Modelle aus dem Baumarkt, etwas Wasser drüber – und gut ist. Geht ja.

Meine Arbeitskollegin, die sich auch gerne humorvoll mit der Psychologie der Gärten befasst und selber jeden Frühling ein kleines Gartenparadies herangärtnert, pflegt bei solchen Diskussionen am Ende immer anzufügen: «Egal wie, was, wo – im Garten des Lebens ist Humor der beste Dünger!» Ich finde, sie hat da völlig recht. In diesem Sinn: Möge jeder gärtnern, wie es ihm am meisten entspricht. Denn wenn wir Schweizerinnen und Schweizer uns etwas nicht vorwerfen lassen müssen, dann, dass wir «bünzlige Gärtchendenker» sind.

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