Umzug mit Absicht
Wenn Historisches neu genutzt wird, kann sich eine Burg in ein barockes Schloss verwandeln. Oder ein Industriegebäude in eine Gemeinschaftspraxis. Das neu eröffnete Praxiszentrum Lauématt in Möriken-Wildegg ist eine Investition in die Zukunft – für die Patienten und ihre Ärzte.
Prächtige Barock- und Rosengärten sind die Hauptattraktion von Schloss Wildegg, dem Wahrzeichen von Möriken-Wildegg im Bezirk Lenzburg mitten im Kanton Aargau: Ein Farbenmeer von Blumen und Kräutern schmeichelt dem Auge, betörende und erfrischende Düfte der Nase. Eintauchen in diese Oase ist ein Erlebnis für die Sinne. So idyllisch präsentiert sich Schloss Wildegg erst in seiner jüngeren Geschichte und als Ergebnis einer gelungenen Metamorphose: Ursprünglich von den Habsburgern im 13. Jahrhundert als trutzige Wehrburg errichtet, baute sie die aus Brugg stammende Patrizierfamilie Effinger im 17. Jahrhundert zum schmucken barocken Lustschloss um.
Historisches neu genutzt
«Der prächtige Schlossgarten ist eine Inspiration für meinen eigenen Garten», erklärt Thomas Glarner. Der Hausarzt hat seinen Wohnsitz direkt am Fuss des Schlosses Wildegg am Eingang des Lauématt-Areals. Seit Ende April 2021 arbeitet Thomas Glarner im neuen Praxiszentrum, das im Gewerbehaus auf dem Lauématt-Areal beheimatet ist. Das historische, 66 Meter lange Industriegebäude verrät von aussen nicht, was sich hinter den hellen Mauern verbirgt. Das Gebäude hat wie das ganze Areal eine lange Geschichte. Hier war ab Ende des 18. Jahrhunderts eine Indiennes-Druckerei angesiedelt. In In-diennes-Druckereien wurden Baumwollstoffe mithilfe von Holzmodeln industriell bedruckt. Ab den 20er-Jahren des 19. Jahrhunderts hatten die Kupferdraht-Isolierwerke Wildegg ihre Produktionsstätten auf dem Areal. 2011 erwarb die Alfred Müller AG die Liegenschaft. Und wie das Schloss Wildegg oben auf dem Hügel erlebte auch das Gewerbehaus eine Verwandlung: Im September 2019 begann die Alfred Müller AG mit dem Rück- und dem Umbau des unter kommunalem Denkmalschutz stehenden Fabrikgebäudes. Entstanden sind einfach ausgebaute Räume für das Gewerbe, für Dienstleister und für das medizinische Praxiszentrum.
«Zur Alfred Müller AG hatte ich von Anfang an volles Vertrauen.»
Nachwuchsförderung statt Ruhestand
Thomas Glarner führt das Praxiszentrum zusammen mit seinen drei Arztkollegen Urs Enggist, Maurizio Provenzano und Mark Morach. Das Besondere daran: zwei der vier Partner sind bereits 70, einer 69, einer 54. Statt Ruhestand haben sie mit viel Energie das Projekt Praxiszentrum umgesetzt. «Als Landarzt liegen mir die Patientinnen und Patienten am Herzen», erklärt Thomas Glarner. «Einfach so aufzuhören ohne Nachfolgeregelung, das war kein Thema.» Geeignete Nachfolgerinnen und Nachfolger zu finden, ist bei Hausärzten allerdings alles andere als einfach. «Einzelpraxen sind bei unseren jüngeren Kolleginnen und Kollegen out», weiss Thomas Glarner. «In einer Gemeinschaftspraxis können die Arbeit und die finanzielle Belastung auf mehrere Schultern verteilt werden, und auch Teilzeitpensen sind möglich.» Gedacht, getan: Thomas Glarner startete mit seinen drei Kollegen das Projekt «Nachwuchsförderung durch Gemeinschaftspraxis», um den Generationenwechsel zu vereinfachen und jüngeren Kolleginnen und Kollegen einen interessanten Einstieg zu ermöglichen.
«Als Landarzt liegen mir die Patientinnen und Patienten am Herzen.»
Die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten zeitigte anfänglich keinen Erfolg. «Das Gewerbehaus auf dem Lauématt-Areal hatten wir allerdings überhaupt nicht auf dem Radar, obwohl es ja direkt vor meiner Nase liegt», schmunzelt Thomas Glarner. «Ein Freund riet mir, das Gebäude einmal anzuschauen. In der alten Fabrik wusste ich sofort: Das hier ist der ideale Standort für unser Praxiszentrum.» Zusammen mit der Alfred Müller AG entwickelten die vier Ärzte ihre Gemeinschaftspraxis nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen. «Zur Alfred Müller AG hatte ich von Anfang an volles Vertrauen. Sie realisierte bereits den Umbau meines privaten Gartens. Ich bin bis heute begeistert von den motivierten Mitarbeitenden und der Qualität ihrer Arbeit.»
Klinik im Kleinformat
Im neuen Praxiszentrum springt die ungewöhnliche Raumhöhe als Erstes ins Auge. Die Einrichtung ist einfach, zweckmässig und stilvoll. Die Praxis strahlt im besten Sinne Klinikatmosphäre aus. Sie wirkt vertrauenserweckend, beruhigend, strahlt Kompetenz aus.
«Ich bin bis heute begeistert von den motivierten Mitarbeitenden und der Qualität ihrer Arbeit.»
Erst recht, wenn Doktor Thomas Glarner den Gang entlangkommt und die Patientinnen und Patienten freundlich begrüsst. Zwar sind noch nicht alle Umzugsarbeiten abgeschlossen, der Betrieb funktioniert aber bereits reibungslos. «Besonders stolz sind wir auf unser neues, bestens ausgerüstetes Labor und auf unseren Röntgenraum mit dem modernen Röntgengerät. Es ermöglicht hochauflösende Aufnahmen in Topqualität und unterstützt uns sehr bei unseren Diagnosen.»
Mit dem Onkologen Maurizio Provenzano bereichert ein spezialisierter Arzt das Team des Praxiszentrums. Die Onkologieabteilung erleichtert Patientinnen und Patienten aus der Region die oft stundenlangen Behandlungen. «Sie müssen nicht mehr in eine Zentrumsklinik reisen und wieder zurück, sondern finden das entsprechende Angebot in ihrer Nachbarschaft.»
Zukunftsprojekt mit viel Nutzen in der Gegenwart
Die Patientinnen und Patienten sind mit den vier Ärzten ins neue Praxiszentrum gezogen. Ihr Wohlbefinden in den neuen Räumen ist ein wichtiger Gradmesser für den Erfolg des Projekts. Die Reaktionen sind durchwegs positiv. «Natürlich vermissen einige die gewohnte Umgebung der alten Praxen», erklärt Thomas Glarner. «Sie gewöhnen sich aber rasch an den neuen Ort und fühlen sich hier wohl. Besonders schätzen sie die Lage. Die Lauématt kann von überall in unserem Einzugsgebiet mit öffentlichen Verkehrsmitteln und auch im Individualverkehr schnell und bequem erreicht werden.»
Die vier Arztkollegen sind im Praxiszentrum Lauématt angekommen. Die Gemeinschaftspraxis ist zwar ein Zukunftsprojekt für eine nächste Generation, aber auch die aktuelle fühlt sich hier sichtlich wohl. Und wirkt vital und sehr motiviert – alles andere als kurz vor dem Ruhestand. Der hat – auch dank der neuen Praxis – sicher noch Zeit.