Balkon und Garten sind gefragt wie nie

Homeoffice und eingeschränkte Aussenkontakte schlagen aufs Gemüt. Vor allem wenn die Wohnung klein ist. Viel Grün und frische Luft schaffen Abhilfe.

Lange war es ein Traum: Leben und Arbeiten zu Hause, selbstbestimmtes Zeitmanagement, die Familie ganz nah, kein Stress im täglichen Stau. Nun ist es Realität – Pandemie-bedingt. Doch es fühlt sich nicht so an wie in unseren Träumen. Die Nähe wirkt beengend. Der kindliche Lärmpegel lässt konzentriertes Arbeiten nur schwer zu. Und der Freiheitsdrang findet seine Grenzen am offenen Fenster.

Kein Wunder schauen sich viele nach einer grösseren Wohnung oder gar einem Haus um – am liebsten mit grosszügigem Garten, weitschweifiger Terrasse oder schöner Aussicht vom Balkon, die Freiheit und Auslauf versprechen. Der Wunsch nach mehr Aussenraum hat sich zwar schon seit längerer Zeit abgezeichnet. Doch seit einem Jahr sind Suchanfragen mit den Stichworten «Balkon/Terrasse/Sitzplatz» bei den grossen Immobilienplattformen geradezu explodiert: «Während des Lockdowns von März bis Mai 2020 wurde rund 30 Prozent öfter nach solchen Objekten gesucht wie im gleichen Zeitraum im Jahr zuvor», hat Martin Waeber, Managing Director von ImmoScout24, festgestellt. «Über den Sommer 2020 hat das Interesse dann zwar leicht nachgelassen. Doch seither ist es wieder am Steigen und liegt heute konstant ein Viertel über den Vorjahreswerten – auf Rekordhöhe», wie Waeber betont.

Suchfilter auf Garten eingestellt

Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei Homegate. «Das Kriterium ‹Balkon/Garten› ist eines der meistgenutzten Suchfilter», weiss Simon Marquard von Homegate. Und auch viele Makler bestätigen, dass die Nachfrage nach Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen extrem gestiegen ist. 50 bis 60 Prozent mehr Zugriffe und mehr Suchabfragen sind keine Seltenheit.

Balkon, Terrasse oder Garten sind zum zweitwichtigsten Kriterium bei der Wohnungs- oder Hauswahl überhaupt aufgestiegen. Das zeigt eine Spezialauswertung der «Wohntraumstudie 2021», die das Immobilienberatungsunternehmen MoneyPark für das «Forum» vorgenommen hat. Einzig das Kriterium «Miet- respektive Hauspreis» war den Interessenten auch in diesem Jahr noch wichtiger. Für 53 Prozent der Befragten sind Balkon, Terrasse oder Garten heute ein «entscheidendes Kriterium». Für weitere 39 sind sie «wichtig». In der Studie 2020 war der Aussenbereich noch auf dem mittleren Platz 5 eingestuft worden (Grafik).

Aufpreis von mindestens 10 Prozent

Und die Suchenden lassen sich das Mehr an Komfort und Lebensfreude auch etwas kosten: Der Aufpreis für eine Eigentumswohnung mit Balkon liege bei mindestens 10 Prozent, sagt Roman Ballmer vom Zürcher IAZI, einem Unternehmen, das sich auf die Erhebung und Auswertung von Immobilienstatistiken spezialisiert hat. Wobei sich die Frage heute eher umgekehrt stellt: «Weist eine Wohnung keinen Balkon auf, wird sie am Markt ‹abgestraft› und der Preis sinkt im Vergleich um 10 Prozent und mehr.» Schätzexperten sind sich einig: Ein guter Aussenbereich rechtfertigt sicher, an das obere Ende einer Bewertungsbandbreite heranzugehen.

 

Starker Anstieg der Immobilienpreise

2020 haben sich Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen laut den Immobilienberatern von Wüest Partner um über 5 Prozent verteuert. Das ist so viel wie seit 2012 nicht mehr. Hauptgrund dafür ist das knappe Angebot. Denn in den letzten Jahren wurde vor allem in Mietwohnungen investiert. Der Bau von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen vermochte dagegen mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt zu halten. Am stärksten waren die Preissteigerungen dort zu spüren, wo Wohn- und Aussenraum ohnehin schon am teuersten ist – in den städtischen Agglomerationen.

Doch nun hat der Wunsch nach mehr Luft und Garten auch den ländlichen Raum erreicht, Teillockdown und Homeoffice sind die Ursache. So verzeichnete 2020 beispielsweise eine kleine Landgemeinde im zürcherischen Wehntal das prozentual grösste Bevölkerungswachstum im ganzen Kanton: Schleinikon legte um volle 23 Prozent zu. Zum Vergleich: In der Stadt Zürich waren es 0,4 Prozent.

Ob der Trend zu mehr Aussenraum mit Grün auf dem Balkon oder im Grünen auf dem Land längerfristig anhält, ist unter Fachleuten umstritten. Die meisten befragten Makler gehen eher von einer Normalisierung aus, wenn die Pandemie nachhaltig abklingt. Claudio Saputelli, Immobilienexperte bei der UBS, sieht im Trend zum Grünen dagegen einen «Big Change», der sich nicht mehr so leicht umkehren lasse.

Fazit: Wer sein Geld sicher und doch mit ansprechender Rendite anlegen will, muss breit diversifiziert investieren – Cash, Gold und Schweizer Staatsanleihen für die Sicherheit, Aktien, Obligationen und Immobilien für die Rendite.