«Wer sein Wunschobjekt gefunden hat, soll kaufen»
Seit der Einführung von strengeren Finanzierungsvorschriften hat sich die Nachfrage nach Stockwerkeigentum und Immobilien in den letzten Monaten etwas abgekühlt. Flavio Ciglia, Leiter Immobilienbank der Luzerner Kantonalbank, und François Bernath, Leiter Akquisition, Verkauf und Marketing der Alfred Müller AG, erklären im Gespräch, wie sich der Markt seither entwickelt hat und warum sie den Kauf eines Eigenheims nach wie vor empfehlen.
Lohnt sich der Kauf eines Eigenheims heute noch?
Flavio Ciglia: Es kommt darauf an, was einem wichtig ist. Beim Kaufentscheid ist der Preis einer Immobilie nicht das einzig wichtige Kriterium. Eine zentrale Rolle spielen auch das persönliche Umfeld, die Arbeitssituation sowie der zeitliche Horizont für das Investment.Wenn diese Faktoren stimmen und jemand sein Wunschobjekt gefunden hat, sollte er oder sie kaufen. Finanziell lohnt sich der Kauf immer noch, denn man fährt beim Kauf günstiger, als wenn man ein vergleichbares Objekt mietet.
François Bernath: Der Kauf lohnt sich aufgrund der tiefen Zinsen nach wie vor. Man muss auch sehen, dass der Erwerb eines Stockwerkeigentums immer auch eine Investition ist. Eigenheimkäufer suchen meistens langfristig ein schönes Zuhause und sind dafür auch bereit, ein substanzielles finanzielles Engagement einzugehen.
Herr Ciglia, was meinen Sie genau, wenn Sie sagen, dass verschiedene Faktoren stimmen müssen, wenn man ein Stockwerkeigentum erwerben möchte?
Flavio Ciglia: Beruflich ist es von Vorteil, wenn jemand weiss, dass er angekommen ist und eine positive Perspektive hat. Zentral für mich ist, dass man kein Eigenheim auf ein oder zwei Jahre erwirbt, sondern auf längere Sicht, denn man kann es nicht so schnell verkaufen wie eine Aktie. Oft sind es Familien mit Kindern, die sich ein Eigenheim wünschen. Diese haben in der Regel einen längerfristigen Investitionshorizont von 10 oder 15 Jahren. In dieser Situation lohnt sich der Erwerb eines Eigenheims.
Die Immobilienpreise bewegten sich 2016 laut einer UBS-Studie teuerungsbereinigt wieder auf demselben Niveau wie auf dem Höhepunkt der Immobilienblase Anfang der 1990er-Jahre. Wie schätzen Sie aktuell die Gefahr einer starken Preiskorrektur ein?
Flavio Ciglia: Man muss keine Angst haben, aber Respekt. Wir hatten in den letzten Jahren einen konstanten Preisanstieg und haben nun in der letzten Zeit in gewissen Marktsegmenten eine Korrektur von zirka einem bis drei Prozent erlebt. Dies ist für mich eine gesunde Entwicklung und nicht bedrohlich. Denn da bei den Eigenheimen auch die Zahl der Baubewilligungen rückläufig ist, werden in der nächsten Zeit auch weniger davon auf den Markt kommen. Dies stimmt mich zuversichtlich, dass es keinen Crash geben wird.
François Bernath: In den letzten Jahren hinkte das Angebot stets der überhitzten Nachfrage hinterher. Jetzt erleben wir einen gesünderen Markt.
Ist dies die Folge der seit einiger Zeit geltenden höheren Finanzierungshürden?
François Bernath: Die strengeren Finanzierungsvorschriften haben dazu geführt, dass die Käuferschicht kleiner geworden ist. Nicht mehr alle, die sich ein Eigenheim wünschen, können es finanzieren. Wir verkaufen Wohnungen weniger oft ab Plan, sondern vermehrt im Rohbau oder fertig ausgebaut. Ich sehe das jedoch auch positiv, da die Leute, die heute Stockwerkeigentum erwerben, in der Lage sein werden, künftig mittelfristige Zinskorrekturen tragen zu können.
Flavio Ciglia: Seit der Einführung der strengeren Kreditbestimmungen stellen wir immer noch eine rege Nachfrage nach Hypotheken fest. Wir haben aber mehr Fälle, bei denen wir an die Grenzen der Tragbarkeit kommen oder die Finan- zierung ablehnen müssen. Bei manchen Interessenten ist der Wunsch zum Kauf eines Eigenheims so stark, dass sie ihre Grenzen nicht mehr sehen.
Können Sie kurz erklären, was die neuen Regulierungen verlangen?
Flavio Ciglia: Immobilienkäufer müssen 20 Prozent Eigenkapital zur Finanzierung beisteuern, wobei nur noch 10 Prozent der Pensionskasse entnommen werden dürfen. Der Rest muss sogenannt «hartes» Eigenkapital sein. Wird ein Eigenheim zu 80 Prozent fremdfinanziert, muss die Belehnung innerhalb von 15 Jahren auf 66 Prozent amortisiert werden. Soweit die Vorschriften. Damit die Luzerner Kantonalbank eine Finanzierung unterstützt, dürfen die Aufwendungen für Hypotheken, Nebenkosten und Amortisation nicht mehr als ein Drittel des monatlichen Einkommens aufzehren.
Projektentwickler sind heute stärker gefordert.
Was ist Ihre Haltung gegenüber diesen Kreditrestriktionen?
Flavio Ciglia: Die Massnahmen haben einen nachweislich beruhigenden Effekt auf den Markt. Wir erleben jetzt, dass die Käuferschaft vorsichtiger geworden ist, genauer hinschaut. Dies hilft, dass wir nicht in einen Crash laufen.
François Bernath: Ich sehe es grundsätzlich auch so. Natürlich wäre es uns als Investor und Anbieter von Wohn- und Geschäftsflächen manchmal lieber, die Vermarktung wäre einfacher. Auf der anderen Seite würden wir uns einen Bärendienst erweisen, wenn wir einer stärkeren Marktkorrektur Vorschub leisteten.
Wie stellt die Alfred Müller AG sicher, dass sie ihre Eigentumswohnungen trotzdem verkaufen kann?
François Bernath: Wir setzen unsere Produkte so auf, dass sie bezahlbar und verkäuflich sind. Tendenziell sind die Wohnungen etwas kompakter geworden. Bei den Banken klären wir ab, ob die Preise aus ihrer Sicht stimmen und ob sie unsere Produkte finanzieren. Für uns ist es wichtig, die Finanzierungskriterien der Banken zu kennen. Grundsätzlich sind Projektentwickler heute stärker gefordert, und Investoren brauchen eine grössere Risikobereitschaft. Entsprechend müssen die nötigen Rücklagen vorhanden sein, damit diese Risiken getragen werden können.
Flavio Ciglia: Für gut fundierte Firmen wie die Alfred Müller AG ist dies meiner Meinung nach eine positive Entwicklung. Sie sind in der Lage, aufgrund ihrer Stärke Erfolgspotenziale auszuschöpfen.
Worauf sollen Käufer bei der Finanzierung ihres Eigenheims achten?
Flavio Ciglia: Der Erwerb eines Eigenheims ist für viele Käufer das Investment ihres Lebens. Die Finanzplanung ist elementar: Man muss seine Ausgaben und Einnahmen genau kennen und abschätzen können, ob diese Situation nachhaltig ist. Man muss alle mit dem Eigenheim verbundenen Verpflichtungen einbeziehen und sich überlegen, wie langfristig man sich finanziell binden will. Die Finanzierung sollte man an den eigenen Möglichkeiten und dem Sicherheitsbedürfnis und nicht an der billigsten Hypothek ausrichten.
Neben der eigentlichen Immobilienfinanzierung ist auch eine integrale Vorsorgeplanung wichtig. Das geschieht meiner Meinung nach zu wenig. Es geht darum, die gesamte finanzielle Situation zu betrachten und diese auch ehe- und erbrechtlich zu regeln. Schliesslich investiert man einen grossen Teil seiner Mittel ins Eigenheim.
Worauf achtet die Luzerner Kantonalbank bei der Finanzierung von Eigenheimen?
Flavio Ciglia: Für uns ist die Risikofähigkeit der Käufer das wichtigste Kriterium. Ich stelle immer wieder fest, dass der Risikoappetit mancher Interessenten grösser ist als ihre effektive Risikofähigkeit. Manchmal sind sich die Leute zu wenig bewusst, welche Kosten mit einem Stockwerkeigentum oder einer Immobi- lie verbunden sind. Jeder Zinsanstieg bedeutet aber, dass weniger Einkommen verfügbar ist und dass man diese Mittel irgendwo einsparen muss.
Die Nachfrage nach Hypotheken ist immer noch recht stark.
Wie können Käufer die für sie beste Finanzierung finden?
Flavio Ciglia: Ideal ist, wenn man sich an eine Vertrauensperson oder an die «Hausbank» wendet. Sie kennt die finanzielle Situation und bis zu einem gewissen Grad auch das finanzielle Verhalten ihrer Kunden und kann sie aufgrund dieses Wissensvorsprungs massgeschneidert beraten. Dann sollte man sich auch im Internet über die aktuellen Zinssätze und Produkte von verschiedenen Anbietern informieren. Schliesslich können die Immobilienanbieter ebenfalls Finanzinstitute empfehlen, welche ihre Produkte finanzieren. Für die Käufer ist es wertvoll zu wissen, dass eine Bank ein Immobilienprojekt geprüft hat und grundsätzlich bereit ist, dieses zu finanzieren.
Welche Kosten müssen Stockwerkeigentümer neben den Hypothekarzinsen einkalkulieren?
Flavio Ciglia: Natürlich die Nebenkosten und, für uns noch wichtiger, die langfristigen Investitionskosten. Mit der Amortisation bildet man die Rücklagen dafür. Wir empfehlen, dafür jährlich ein Prozent des Kaufwertes zu berechnen. Die Mittel aus dem Erneuerungsfonds reichen meistens nicht aus.