Michael Heckens Wohnhaus - Die Verbindung von Geschichte und Moderne
Von vorne gleicht das Haus von E-Bike-Hersteller Michael Hecken einem stuckbesetzten Altbau aus der Gründerzeit. Dahinter verbirgt sich jedoch ein moderner Neubau mit riesiger Fensterfront.
Etwa 30 km von der deutschen Hauptstadt entfernt, in Biesenthal, wohnt Michael Hecken mit seiner Frau Ayla in einer Bilderbuchkulisse. Neben dem Wohnhaus rauscht ein Bach, drumherum recken sich Bäume gen Himmel. Der Unternehmer legte einst eine steile Karriere in der Londoner Software-Branche hin, heute designt und verkauft er mit seiner Firma HNF Heisenberg schicke E-Bikes. Er weiss, was es bedeutet, Risiken einzugehen. Als Hecken das Biesenthaler Grundstück 2003 kaufte, lag es in Schutt und Asche. Er hat es in seinen persönlichen Wohntraum verwandelt – und gleichzeitig auch sein Leben neu geordnet.
Interview
Michael Hecken, Sie haben sich 2003 entschieden von London nach Biesenthal zu ziehen. Erinnern Sie sich noch, wie die Räume aussahen, als Sie das Haus gekauft haben?
Da erinnere ich mich sehr gut daran. Das Haus war abgebrannt, völlig kaputt. Die Wände waren eingefallen, das Dach zerstört.
Waren Sie damals auf der Suche nach einem Objekt dieser Art, und was hat Sie dazu bewogen, es zu kaufen?
Ich habe eigentlich gar nicht nach so einem Haus gesucht. Ich wollte damals in London bauen. Aber man kam nur durch Auktionen an Grundstücke heran, ich hatte extra Geld gespart. Als ich keines erwerben konnte, hatte ich das Gefühl, dass die Stadt mich nicht will. Auf einer Wochenendtour um Berlin herum bin ich hierüber gestolpert. Dieses Haus stand hier, völlig am Ende. Aber ich wusste instinktiv, was ich daraus machen würde. In London gibt es viele solcher Gebäude, die vorne eine alte Fassade haben, der hintere Teil aber durch einen Neubau mit grossen Fenstern ersetzt wurde. Vom Fund bis zum Kauf waren es dann nur 14 Tage.
Was wissen Sie über die Vorgeschichte des Hauses?
Das Wehrmühlengrundstück gibt es seit 1360. Man weiss nicht viel über die Geschichte vor dem 18. Jahrhundert. 1860 wurde all das gebaut, was man heute sieht. Mein heutiges Wohnhaus war ein Verwaltungsgebäude, eigentlich schlicht gehalten. 1907 hat sich der jüdische Besitzer vorne eine Stuckfassade anbauen lassen. Ein Jahr bevor ich es übernommen habe, ist es, wie gesagt, abgebrannt.
Als Sie es kauften, war es entsprechend heruntergekommen. Wo fängt man bei so einem Umbauprojekt überhaupt an?
Wir haben erstmal eineinhalb Jahre lang aufgeräumt. Über 1000 Tonnen Müll mussten entsorgt werden. Alte Mühlräder aus Stahl, Steine. Die Planungsphase mit den Architekten lief parallel. Ich hab mich während des Umbaus sporadisch in dem alten Stall eingerichtet. Gleichzeitig hatte ich aber auch eine Wohnung in Berlin, um zu arbeiten. Wann immer es ging, bin ich zum Bau gefahren.
Bei Ihrem Haus ergänzt ein moderner Neubau eine historische Fassade. Wie haben Sie entschieden, was bleibt und was wegkommt?
Meine Architekten meinten damals: «Reiss das Ding ab, wir setzen hier ein modernes Haus hin.» Ich wollte aber die Fassade behalten, die hatte was. Ausserdem wollte ich mich hier auch nicht unbeliebt machen, indem ich dem Ort seine schöne Wehrmühle wegnehme.
Wie schwierig war es, für dieses ungewöhnliche Vorhaben eine Baubewilligung zu erhalten?
Das war sehr einfach damals. Man hatte Interesse daran, dass die Wehrmühle stehen bleibt, und die Ämter hier stehen progressiven Projekten auch zum grössten Teil positiv gegenüber.
Können Sie uns einen kleinen Einblick in die Um- und Ausbauarbeiten geben?
Einen Altbau mit einem Neubau zu kombinieren, war wirklich komplex und eben nicht so planbar wie ein komplett neuer Bau. Wenn ich noch einmal bauen würde, würde ich jeden Abend und jeden Morgen auf die Baustelle kommen. Wer Qualität will, muss jeden Schritt überwachen. Im Nachhinein hat mir das ganze Projekt aber einen Riesenspass gemacht. Ich tüftle ja gerne, das gilt auch für meine E-Bikes. Ausserdem hat mich das Haus an sich motiviert. Es ist einfach unvergleichlich schön und grün hier.
Welche Vision hatten Sie für die Innenräume im Kopf?
Das war von Anfang an klar: Sie sollten einen gewissen Minimalismus aufweisen. So habe ich schon als Kind gelebt. Meine Eltern waren mit Holzmöbeln und einem Rolf Benz Sofa eingerichtet, ich hatte mit 12 schon ein Zimmer, das sich auf einen grauen Teppichboden, eine Matratze und Stereoanlage in der Ecke reduziert hat. Ausserdem wollte ich die Räume auch vermieten können. Hier finden Filmaufnahmen, Hochzeiten und Fotoshootings statt. So kommen ein paar Euro zusätzlich im Jahr für die Heizkosten rein.
Wo halten Sie sich heute am liebsten auf und warum?
Meistens sitze ich auf dem Sofa, da habe ich den ganzen Garten im Blick. Ich muss viel telefonieren, und dabei bin ich immer am Herumlaufen. Und dann habe ich draussen eine Badestelle. Man kann im Fluss schwimmen gehen.
Wenn ich noch einmal bauen würde, würde ich jeden Abend und jeden Morgen auf die Baustelle kommen.
Sie waren früher erfolgreich in der Computerbranche unterwegs und hatten in London ein eigenes Software-Unternehmen. Können Sie uns mehr davon erzählen?
In London habe ich damals vier Jahre studiert und parallel eine Softwarefirma, die Internetauftritte für Unternehmen programmierte, aufgezogen. Zu Hochzeiten arbeiteten 70 Leute in dem Laden. Das Unternehmen war im Dotcom-Boom weit vorne. Dann kam der Dotcom-Crash, und ich musste dringend da raus.
Dann sind Sie umgezogen und haben auch beruflich einen Sprung gewagt. In diesem Haus haben Sie Ihr erstes E-Bike-Unternehmen «Grace» gegründet?
Als ich hierher gezogen bin, habe ich die alte Firma noch zwei Jahre lang weiter betrieben und danach für eine Schweizer Softwarefirma als Marketing-Manager gearbeitet. Nebenher habe ich geguckt, was ich in Deutschland noch gut machen könnte. Ich hatte ausserdem einen ökologischen Anspruch, der mir bei der Softwareentwicklung gefehlt hat. Design-E-Bikes gab es hierzulande damals noch gar nicht. Mit «Grace» war ich dann rasch erfolgreich, aber nach einem Zerwürfnis mit dem Investor musste ich die Firma verkaufen. Daraus habe ich gelernt, besser langsam mit einem Start-up zu wachsen und nur mit Menschen zusammenzuarbeiten, mit denen ich freundschaftlich verbunden bin. Deshalb heisst meine jetzige Firma auch HNF: Hecken, Nicolai und Friends.
Auch mit HNF Heisenberg produzieren Sie hochwertige E-Bikes. Warum haben es Ihnen die Fahrräder angetan?
Ich habe damals lange überlegt, ob ich das Thema nochmal angehe. Doch bei «Grace» war so viel Energie drin, es wäre verrückt gewesen, nicht weiterzumachen. Mich hat damals auch beeindruckt, wie effizient E-Bikes sind: Ein Smart wiegt fast eine Tonne, um einen Menschen zu bewegen. Das Rad wiegt 19 kg und hat die gleiche Aufgabe. Wir haben extrem viele Pendler als Kunden, die das Auto dann auch mal stehen lassen. Ausserdem macht das Designen total Spass. Das ist der Aspekt, der mich antreibt.
Sie packen offensichtlich gerne neue Projekte an. Woher nehmen Sie die Motivation, neue Ideen zu entwickeln und beträchtliche Risiken einzugehen?
Es ist immer ein grösseres Abenteuer, etwas zu tun als es nicht zu tun. Es frustriert mich, wenn ich sehe, dass Menschen Talent und die finanziellen Möglichkeiten haben, um wirklich etwas zu erreichen und sie nichts daraus machen. Meine Frage ist immer die: Soll ich es machen oder nicht? Naja, welche Option ist das grössere Abenteuer?
Welche neuen Ideen schwirren Ihnen schon im Kopf herum?
Im Fahrradbereich sind zig Designs am Köcheln. Da gilt es, sich stets weiter zu entwickeln. Ich hoffe ausserdem, dass ich hier zwei neue Gästehäuser bauen kann. Ich will den Ort so wandeln, dass er sich selbst trägt.
Bleiben Sie Ihrem aussergewöhnlichen Haus treu?
Auf jeden Fall. Viele fragen mich, warum ich nicht verkaufe und Fahrrad fahren gehe. Aber es ist ja nicht nur ein Privathaus. Es ist ein Haus mit Geschichte, die ich würdevoll fortführen möchte.
Danke, Michael Hecken, dass Sie uns Ihre Geschichte erzählt und uns Ihr ungewöhnliches Haus gezeigt haben.
Interview: Milena Zwerenz
Fotografie: Daniel Müller
Produktion: FvF Productions UG