Kreatives Werben um gute Mitarbeitende
In ihren Bemühungen, die besten Mitarbeitenden zu finden und zu halten, machen sich Unternehmen attraktiv. Wie das geht, zeigen vier Schweizer Firmen auf unterschiedliche Weise. Werden sie auch der Generation Z gerecht?
Erfahre weiter unten im Artikel, wie die Generation Z tickt und teste mit der Umfrage, ob dein Denken der Generation X, Y und Z entspricht.
Die Mitarbeitenden sind das wichtigste Gut eines Unternehmens – eine Aussage, der man immer wieder begegnet. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind tatsächlich einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg einer Firma. Diese zu finden, ist allerdings nicht einfach, denn Arbeitgeber quer durch alle Branchen buhlen um sie. Doch wie ernst nehmen Unternehmen die Aufgabe, ihren Angestellten ideale Arbeitsbedingungen zu bieten? Was kann die Belegschaft vom Arbeitgeber erwarten? Und zu welchen Massnahmen greifen Firmen, um sich attraktiv zu machen? Ist es das durchgestylte Büro? Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Oder sind es die finanziellen Anreize? Damit die Beschäftigten zufrieden sind und ihr Leistungspotenzial entfalten können, reichen gute Architektur, modernste IT-Infrastruktur oder ein hoher Lohn freilich nicht aus. Mit Einfallsreichtum kreieren immer mehr Firmen Arbeitsumgebungen, in denen das Arbeiten Spass macht.
Victorinox: Tiefenentspannt zum Erfolg
Durchatmen, entspannen und auf das Befinden fokussieren – nein, das ist keine Yogastunde, sondern ein normaler Arbeitstag bei Victorinox. Zwei- bis dreimal täglich gibt es während fünf Minuten angeleitete «Balance Time». Seit 1884 zeigt das Innerschweizer Familienunternehmen, wie soziale Firmenpolitik mit wirtschaftlichem Erfolg einhergeht. «Das Credo des Firmengründers Karl Elsener ‹Schaffen und Erhalten von Arbeitsplätzen› hat nach wie vor hohe Gültigkeit», sagt Personalchef Robert Heinzer. In Ibach beschäftigt das Traditionsunternehmen rund 950 Mitarbeitende, allein 700 in der Produktion. Sie stammen aus vier Kontinenten und über 15 Ländern. Jeder Fünfte arbeitet Teilzeit, 5 Prozent sind Lernende. Auch Mitarbeitende mit Handicap sind willkommen, wenn nötig nimmt man dafür Anpassungen an der Infrastruktur vor. Solidarität und das Festhalten an soliden Grundwerten prägen seit jeher die Philosophie von Victorinox. Die wertschätzende Zusammenarbeit basiert auf Vertrauen, Respekt, Offenheit, Dankbarkeit, Mut, Verantwortung und Bescheidenheit. Daraus ist eine Firmenkultur gewachsen, die durch alle Funktionsbereiche ein produktives Miteinander ermöglicht – und die, so ist der Personalchef überzeugt, für Kunden und Geschäftspartner gleichermassen spürbar ist. Dass sich die Mitarbeitenden auch tatsächlich als Teil einer grossen «Familie» verstehen, beweist die durchschnittliche Anstellungsdauer: 22 Jahre!
myclimate: Gutes Klima trägt Früchte
Tomaten, Kürbisse und Zucchetti wachsen auf dem Dach an der Pfingstweidstrasse 10 in Zürich. Ein Teil davon wandert direkt in die Töpfe des Hauskochs, der viermal pro Woche für die myclimate-Belegschaft frische Menüs kreiert. Nicht nur Gemüse schiesst hier aus dem Boden, auch kreative Ideen spriessen auf der als Begegnungsraum genutzten Terrasse zuweilen besser als im Büro. Die meisten der 60 Mitarbeitenden haben keinen persönlichen Schreibtisch, sie suchen sich einen Platz im Grossraumbüro, setzen sich projektweise zusammen oder machen es sich auf dem Sofa gemütlich. Dass auch der Geschäftsführer kein Einzelbüro belegt, sorgt für hohe Transparenz und eine offene Kultur. «Viele Leute kommen zu uns, weil wir ihnen eine sinngebende Aufgabe bieten», sagt Mediensprecher Kai Landwehr. Die intrinsische Motivation sei entsprechend hoch. Das Team ist bewusst heterogen zusammengesetzt, vom breit abgestützten Know-how sollen alle profitieren. Obwohl die Löhne der Non-Profit-Organisation tiefer ausfallen als in der Privatwirtschaft – das Gesamtpaket ist attraktiv. Die Arbeitszeiten teilt man sich flexibel ein. Teilzeitarbeit ist auch im Management keine Ausnahme, und ab 60 Prozent kann man auch einen Tag pro Woche Home-Office machen. Für Pendler beginnt die Arbeitszeit schon im Zug – das Halbtax geht auf Firmenkosten, ebenso ein Teil der Kosten für das Generalabo. Wer Lust hat, nimmt drei- bis viermal jährlich an gemeinsamen Veranstaltungen teil. Diesen Sommer stand eine Wanderung auf dem Aletschgletscher auf dem Programm. Solche gemeinsamen Erlebnisse verbinden – auch wenn man wieder im Büro sitzt.
Mit Einfallsreichtum kreieren immer mehr Firmen Arbeitsumgebungen, in denen das Arbeiten Spass macht.
GGZ@work: Hier darf gelacht werden!
Wer bei GGZ@work arbeitet, hat Grund zum Lachen. «Humor und eine gewisse Fehlertoleranz sind uns wichtig», sagt Anita Schillinger, Stellvertretende Geschäftsführerin und Personalverantwortliche. Unter den 49 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Zuger Non-Profit-Organisation hat sich über die Jahre ein lockeres und wertschätzendes Betriebsklima entwickelt. Die Hierarchien sind flach, die Entscheidungswege kurz. Eigeninitiative ist erwünscht, im Gegenzug geniesst die Belegschaft viel Selbstbestimmung und Mitsprache in ihrem Verantwortungsbereich. Kommuniziert wird unkompliziert, die Tür des Geschäftsführers steht jederzeit offen – auch bei kurzfristigen Fragen, bei Problemen oder für den Austausch. Soweit es der Betrieb zulässt, unterstützen die Personalverantwortlichen die Arbeit von zu Hause aus ebenso wie Weiterbildungen und längere Urlaube. Sportler können über Mittag gratis die Angebote des Kantons Zug nutzen. «Wir begegnen unseren Mitarbeitenden mit grossem Vertrauen und setzen ihre Fachkompetenzen gezielt ein», hält Anita Schillinger fest. Dies in der Überzeugung, dass die Zufriedenheit und die Gesundheit in einem Umfeld, in dem sich Mitarbeitende wohlfühlen, besser sind. Zudem wirke sich das positiv auf die Arbeitsleistung aus, wovon das Unternehmen nur profitieren könne.
Liip: Wo ist denn hier der Chef?
Die Geschäftsleitung sucht man bei der Werbeagentur Liip vergeblich. Sie hat sich vor zweieinhalb Jahren abgeschafft. Seither arbeiten die 171 Mitarbeitenden an fünf Standorten selbstorganisiert nach Holacracy: Jeder kann sein Aufgabengebiet, seine Verantwortungen und sogar die Unternehmensstruktur nach klaren Prozessen verändern, verfügt über Entscheidungskompetenz und setzt seine eigenen Prioritäten. Die Liip-Belegschaft geniesst nicht nur Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeiten, Arbeitspensum und Arbeitsort, auch vier Wochen Vaterschaftsurlaub und ein faires und transparentes Lohnsystem gehören zu den Selbstverständlichkeiten. Für das gesundheitliche Wohl sorgen Gratis-Sportangebote und -Massagen an allen Standorten. Liip ist eine familienfreundliche Arbeitgeberin. Geht es einmal nicht anders, sind auch die Kinder, der Hund oder gar die Schildkröte im Büro willkommen. Grundgedanke der Gründer, der auch heute noch trägt, war es, einen Arbeitsort zu schaffen, wo Mitarbeitende das machen können, was ihnen Spass bereitet. Dabei sollen sie genug verdienen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können. Liip gehört zu 100 Prozent den «Liipern». Der Gewinn wird als Bonus unter der Belegschaft verteilt. Jeder und jede profitiert so vom Unternehmenserfolg und möchte das Unternehmen weiterbringen. Dass das Konzept aufgeht, bestätigt Vera Lorenzi von Liip: «Die Verteilung der Verantwortung funktioniert gut und hat unsere Effizienz gesteigert.»
Die Generation Z will die eigene Leidenschaft zum Beruf machen.
Die Generation Z tickt anders
Mit der Generation Y sind die ersten Digital Natives in die Arbeitswelt eingetreten. Bestens vertraut mit digitalen Technologien, haben die zwischen 1980 bis Mitte der 1990er Jahre Geborenen die Berufswelt kräftig umgekrempelt. Doch nun steht der nächste Wandel vor der Tür. In den kommenden Jahren wird die Generation Z, also die nach 1995 Geborenen, ihre Berufskarrieren starten – und die tickt ganz anders als ihre Vorgänger. «Arbeitgebern fällt es schwer zu verstehen, dass die Generation Z eben nicht so ist, wie sich das manche vorstellen», sagt Christian Scholz, Professor an der Universität des Saarlandes und Autor des Buchs «Generation Z». Strebte die Vorgängergeneration Y nach Selbstentfaltung und persönlicher Weiterentwicklung bei der Arbeit, hat die Generation Z erkannt, dass dieser Plan nicht immer aufgeht. Bei den heute 30- bis 40-Jährigen fliessen Beruf und Freizeit nahtlos ineinander.
Anders bei der Generation Z, die klare Aufgaben und Grenzen sowie eine strikte Trennung von Privatleben und Arbeit will. Nach 17 Uhr ist man fürs Geschäft nicht mehr erreichbar. «Was die Generation Z absolut nicht möchte, das ist Work-Life-Blending als Eindringen des Berufs in die Freizeit. All das, was heute angeblich zwingend in Richtung Work-on-Demand und arbeitnehmerseitige Flexibilität geht, wird von ihr abgelehnt. Und das ist auch gut so!», findet Scholz. Die Generation Z verlangt nach einem sicheren Job mit klaren Strukturen und am liebsten mit «Feel-Good-Atmosphäre». Laut dem Experten schätzen viele die Generation Z falsch ein: «Man geht davon aus, dass gerade die Generation Z flexibel und mobil ist, also praktisch überall arbeiten will und kann. Nur ist das ein gefährlicher Trugschluss.» Für sie sind der feste Arbeitsplatz und der eigene Schreibtisch in der Regel sehr wichtig. Desk-Sharing und Open Office stossen auf klare Ablehnung.
Die Untersuchungen von Scholz haben gezeigt, dass die Generation Z die eigene Leidenschaft zum Beruf machen will und darin Erfüllung sucht. Sie will sich mit der Arbeit identifizieren, nicht aber mit einem Unternehmen. Ebenso kann sie auf die Übernahme von Verantwortung verzichten und ist insbesondere zurückhaltend, wenn es um die Führung von Personal geht. «Diese Einstellung schafft Probleme und ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir nicht alles akzeptieren dürfen, was die Generation Z sich wünscht», konstatiert Scholz.
Christian Scholz, «Generation Z. Wie sie tickt, was sie verändert und warum sie uns alle ansteckt»,
Wiley-VCH, ISBN 978-3-527-50807-5