Antidigitalisierung: Der Arbeitsplatz von morgen
Mathis Hasler, Co-Gründer und CEO der Popup Office AG, erzählt, wieso Coworking Spaces als Lösung gelten und überall aus dem Boden schiessen. Was in Grossstädten entstanden ist, hat sich in den letzten Jahren zum Trend entwickelt. Oder ist es doch nur ein Hype?
Einer, der mitten in diesem spannenden Umfeld seine Geschäftsidee verwirklicht, ist der Co-Gründer und CEO von Popup Office, Mathis Hasler. 2010 entpuppte sich ein scheinbares Café im trendigen Recoleta-Quartier in Buenos Aires als geteilter Arbeitsplatz für Freelancer. Und Freelancer gab es damals in Argentinien nach der verheerenden Wirtschaftskrise zuhauf. Die Idee von «Urban Station» – so der Brand des Cafés – liess Mathis Hasler nicht mehr los. Kontakte ergaben, dass der Brand damals durch ein Unternehmen in der Türkei gehalten wurde, welches in Istanbul zehn solcher Stationen betrieb.
Mathis Hasler: Eigentlich hatten sie diese sogenannten Coworking Spaces in Istanbul Freelancern als Zielgruppe zur Verfügung stellen wollen, angezogen haben sie aber überraschenderweise Grossfirmen wie Siemens und ähnliche. Die verschiedenen «Urban Stations» erlaubten es den Firmen, sich in einem dezentralen Arbeitsplatzsystem zu bewegen – und so den chronischen Verkehrsproblemen durch geschickte Ausnützung der Standorte der Coworking Spaces auszuweichen.
«Viele Firmenstrukturen und -kulturen lassen solche neuen Arbeitsformen eigentlich noch gar nicht zu.»
Zurück in Zürich musste ich einsehen, dass der Ausbau solcher Arbeitsplätze, diesen New Working Spaces, für mich zu kostspielig war. Ich war aber total in Aufbruchstimmung und wollte diese Idee unbedingt irgendwie umsetzen. Daraus entstand eine Internetplattform für existierende Working Spaces. Schnell hatten wir über 100 solcher Angebote auf unserer Plattform. Wir gingen auf Grossfirmen wie AXA Winterthur, Swisscom, Microsoft und Migros zu und schufen Gesamtpakete zur Nutzung von Working Spaces für deren Mitarbeiter. Die Begeisterung war riesig. Und es passte für die Firmen in den Trend von Innovation, Diversität, Mobilität, Employer Branding und flexible Arbeitsformen. Nur ist die Krux bei diesem Diversity Cultural Change Management der effektive Einbau in den Tagesablauf, die tatsächliche und regelmässige Nutzung des Angebots. Denn viele Firmenstrukturen und -kulturen lassen solche neuen Arbeitsformen eigentlich noch gar nicht zu.
Flexible Serviced Workplaces sieht Mathis Hasler als internationalen Megatrend. Dabei setzt er auf die Zusammenarbeit mit Immobilienanbietern, denn Verkauf oder Vermietung von Räumlichkeiten im Rohbau sind heute keine Selbstläufer mehr. Für kleinere Firmen sind die hohen Ausbaukosten schwer zu stemmen. Und das gilt nicht nur für Startups, sondern gleichermassen für gestandene KMU. Mit dem Konzept der flexiblen Serviced Workplaces wird so das Problem der Investitionskosten dem Nutzer abgenommen. Und die KMU behalten ihre Agilität.
Zum Thema Megatrend – wie sieht der Arbeitsplatz von morgen, der Future Workspace aus?
Es gibt den einen Riesentrend, wo die Leute sagen: «Alles wird Freelance», das Network Office, jeder arbeitet für sich, jeder hat 1000 Jobs, ist in einem Netzwerk drin und braucht einen Platz zum Arbeiten. Auch damit ihm zu Hause nicht die Decke auf den Kopf fällt. Das ist die eine Richtung – insbesondere in Amerika nimmt ja das ganze Tasking, damit sind diese Projektjobs gemeint, extrem zu. Daneben gibt es aber auch einen anderen Trend, der nicht nur die Freelancer betrifft, sondern wo ganze Arbeitsprozesse offener werden. Die digitalen Tools wie Slack, Dropbox, Gmail lassen es zu, dass wir externe Firmen viel einfacher in unsere Prozesse miteinschliessen können. Das heisst, Firmengrenzen vermischen sich nach aussen und Projekte überlappen sich auch immer stärker. Die Idee vom Arbeiten in in sich geschlossenen Firmen wird an Wichtigkeit verlieren im Sinne von: «Du bist viel stärker, wenn du gegen aussen vernetzt bist.» Die digitale Welt wirkt ja etwas entfremdend, was wir eigentlich gar nicht mögen. Und genau hier setzen die Working Spaces an: als Medium der Interaktion. Das suchen wir. Die Leute fühlen sich wohl in einer Arbeitsumgebung, die auch ein bisschen Living ist, also wo man nicht genau weiss, ob es jetzt ein Büro, eine Lounge oder gar ein Apartment ist. Grosse Gebäude von 10’000 Quadratmetern und mehr werden umgewandelt in neue flexible Welten, wo viele Firmen zusammenkommen und miteinander arbeiten. Das sind Trends, die durch Firmen genutzt werden, die ein neues, flexibleres, vernetzteres und digitalisierteres Arbeitsumfeld anstreben – und so auch ganz neue Arbeitskulturen pflegen.
«In den nächsten zehn Jahren werden bis zu 30 Prozent der Firmen in flexiblere Arbeitsraumstrukturen wechseln.»
Hier sieht Mathis Hasler denn auch Möglichkeiten für die Immobilienbranche, nämlich dass nicht einfach Gebäude gebaut und dann Mieter gesucht werden, sondern mit den zukünftigen Mietern Welten geschaffen und Gemeinschaften, also Communitys, kreiert werden, welche die Gebäude nutzen. Dabei vergleicht er aufgrund des ähnlichen Geschäftsmodells Working Spaces mit Hotels. Es gibt sie an allen Lagen, vom Zentrum bis hin zur grünen Wiese, in allen unterschiedlichen Formen, von einfach bis luxuriös: eine hohe Diversität, die auch bei den Serviced-Office-Anbietern entstehen wird. In der Branche wird davon ausgegangen, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu 30 Prozent der Firmen von heute fixen in flexiblere Arbeitsraumstrukturen wechseln werden. Das wird eine Vielzahl von verschiedenen Anbietern benötigen, nicht nur die etablierten grossen, sondern den Bedürfnissen der Nachfrager angepasste Dienstleister. Ganz nach dem Grundsatz: «Du bezahlst, was du brauchst.» Bedenkt man, dass die ganze Digitalisierung von Gebäuden, sogenannten Smart Buildings, erst noch in den Kinderschuhen steckt, zeichnen sich für Nutzer und Anbieter von Serviced Offices viele innovative Möglichkeiten ab.
«Was funktioniert, ist, Welten zu schaffen.»
Tendenziell findet man solche Coworking Spaces doch eher in Städten. Wie wichtig ist die Umgebung, in der sich diese Spaces befinden? Es werden ja schon solche in Feriendestinationen eröffnet.
Hier sehe ich wieder Analogien zum Hotel. Ich glaube, es verhält sich genau gleich. Amsterdam als Beispiel: Es gibt Angebote, super zentral gelegen, unten keine Parkplätze, oben sehr enge Platzverhältnisse. Pro Quadratmeter wird viel bezahlt, aber für das, was man bekommt, eigentlich wenig. Andere Anbieter sind aktiv in der Peripherie und dadurch viel günstiger – und erst noch nahe bei den Verkehrsachsen. Ihr Angebot spricht eher «erwachsene» Firmen an und weniger die trendy, hippen «Downtown-Startups». Ich glaube, es ist keine Frage der Stadt oder des Zentrums. Ich glaube, was funktioniert, ist, Welten zu schaffen.
Es betrifft wahrscheinlich nicht alle Berufsgattungen gleich, und es ergeben sich doch für alle Firmen Fragen zur Firmenkultur, zu Führungsaspekten, Vertrauen, Effizienz usw. Wie halten Sie es damit?
Man ging zuerst davon aus, dass diese Working Spaces eigentlich nur für sogenannte Desk-Berufe, also Bürojobs, attraktiv sein werden. Neue Beispiele zeigen aber, dass sich im gleichen Gebäude Dienstleistungsjobs und industrielle Nutzungen verschmelzen lassen und dadurch ganz neue Cluster entstehen, denn Nähe schafft Neues.
Dienstleistung, Digitalisierung, Gemeinschaft, Immobilien, Apps und Kulturen werden als die wichtigen Komponenten des Serviced Workspace gesehen. Diese in optimaler Form zusammenspielen zu lassen, so dass sich dem Benutzer des Platzes der maximale Vorteil erschliesst, dieses Orchestrieren sieht Mathis Hasler als den Trend schlechthin. Der zukünftige Arbeitsplatz sei dann erfolgreich, wenn dem Betreiber die Integration der verschiedenen Teilbereiche zu einem funktionierenden Ganzen gelingt.
Und was treibt Sie persönlich in dieser ganzen Geschichte?
Die Digitalisierung lässt es zu, dass ich heutzutage nicht in die Ferien gehe, sondern ich gehe surfen und arbeiten. Mein Arbeitsplatz kann überall sein. Die Arbeitsplatztransformation hat viel mit Menschlichkeit zu tun. Darum interessiert es mich, weil auch ich diese Menschlichkeit vermisst habe. Und darum interessiert es so viele Menschen. Mit der Digitalisierung entfremden wir uns in einem gewissen Grad. Der Future Workspace ist der Gegentrend, paradoxerweise die Antidigitalisierung, durch das, dass wir unseren Arbeitsplatz wieder so schaffen, dass wir uns treffen, zusammenkommen, miteinander arbeiten und damit Neues schaffen.